Dr. Carl von Ehrenwall
Der Mediziner, Psychiater und Klinikdirektor Dr. Carl von Ehrenwall gehört zu den eindrucksvollsten und innovativsten Unternehmerpersönlichkeiten der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler.
In Ahrweiler 1855 geboren, studierte Carl von Ehrenwall nach seiner Schulzeit in Ahrweiler und Neuss Medizin in Würzburg und Breslau. Noch während seines Studiums eröffnete er in seiner Heimatstadt Ahrweiler am 1. April 1877 in den Gebäuden des früheren Weingutes Schäfer/heute Körtgen in der Oberhutstraße 16 seine „Privatkuranstalt für Gemüts= und Nervenkranke“ mit 6 Patienten und legte damit den Grundstein für die heutige Dr. von Ehrenwall’sche Klinik. In dieser Anfangszeit standen ihm der praktische Arzt Dr. Eberhard Feltgen und der Alexianerbruder Martin Schadde zur Seite.
Im Jahr 1880 erhielt Carl von Ehrenwall seine Approbation und er übernahm die alleinige ärztliche und wirtschaftliche Verantwortung für sein Krankenhaus. Damit verbunden hatte er sich wohl zu dieser Zeit bereits für den Aufbau eines eigenen und umfassenden psychiatrischen Krankenhauses entschieden. Auch privat legte er durch seine Heirat mit Anna Sturm den Grundstein für sein Familienunternehmen: 1881 wurde dem Ehepaar die Tochter Maria (- 1949) geboren, 1883 der Sohn Josef (gefallen 1916) und 1891 Sophie (-1967).
Nachdem die anfänglichen Gebäude in der Oberhutstraße innerhalb kürzester Zeit nicht mehr ausgereicht hatten, begann Dr. Carl von Ehrenwall 1882 mit dem Bau des heutigen Hauptgebäudes in der Walporzheimer Straße, das bis 1888 zum größten Teil vollendet worden war. Stück für Stück, Parzelle für Parzelle erwarb er in den folgenden Jahren Gärten und Weinberge in dem heutigen Areal entlang des westlichen Teils der Ahrweiler Stadtmauer zwischen Obertor und Ahrtor, um - wie es die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Klinikbetriebes zuließen - weitere Gebäude für spezifische Unterbringungen und Anwendungen errichten zu können. Außerdem begann er in späten 80er Jahren mit dem Ankauf eines großen Waldgeländes.
Beeinflusst von den fortschrittlichsten räumlichen, medizinischen und psychiatrischen Erkenntnissen nach dem Vorbild des Neurologen und Psychiaters Wilhelm Griesinger (1817-1868) wurde die Klinik bereits 1895 bis 1897 durch ein Haus für Schwerstkranke, die Villa Griesinger, erweitert, die gegen Kriegsende im Januar 1945 durch einen Bombenabwurf über Ahrweiler zerstört wurde. Weitere Gebäude entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts: Die Villa Sophia, die Villa Maria, das heutige Alte Badehaus, das spätere Doktorhaus sowie die Ökonomie, die nötig wurde, um die wachsende Patientenzahl mit Lebensmitteln zu versorgen.
Die Aufbauleistung seines Unternehmens vollzog Carl von Ehrenwall mit der ständigen Unterstützung seiner Frau Anna, geb. Sturm, die die innere Führung der Klinik gewährleistete. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang und ungewöhnlich für diese Epoche, dass Anna von Ehrenwall ihren Mann bei wichtigen vertraglichen Abschlüssen begleitete.
Der Patient steht im Mittelpunkt
Der Klinikbetrieb selbst war geprägt von modernen Therapiemethoden wie beispielsweise einer Kunst- und Beschäftigungstherapie, einer Sport-, Bewegungs- und Terraintherapie unter Einbeziehung der umgebenden Landschaft. Seinen Patienten ermöglichte von Ehrenwall eine annähernd familiäre Lebensweise unter ärztlicher Aufsicht und je nach Schwere der Erkrankung eine Rückkehr in ihr gewohntes soziales Umfeld. Ausgedehnte Park- und Waldanlagen zwischen den Gebäuden bis in den Silberberg ermöglichten kurzweilige Spaziergänge im Freien und boten für die oft musisch begabten Patienten ein für die Sinne und die Lebensfreude anregendes Ambiente.
Für die zahlreichen elektrisch betriebenen Therapiemethoden entstand eine eigene elektrische Versorgung, die sowohl die Stadt Ahrweiler als auch die Gleislose elektrische Bahn (1906-1917) zwischen Ahrweiler und Neuenahr mit Strom versorgte. Ebenfalls stellte er die Energie- und Wasserversorgung der Klinik auf eigene Füße.
Konnten sich in dieser Aufbauphase der Klinik ausnahmslos privat zahlende Patienten den Aufenthalt im Sanatorium in Ahrweiler leisten, so entschloss sich Carl von Ehrenwall 1913, durch einen Vertrag mit der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin die wirtschaftliche Existenz der Klinik auf eine breitere Basis zu stellen. Das zu diesem Zweck erworbene Haus in der Walporzheimer Straße 30, das ehemalige Arbeitsamt und heutige Arztpraxis-Haus diente bis 1919 zur Versorgung dieser Patienten, bevor es von der Militärbesatzung konfisziert wurde und für die Klinik verloren ging. Als Ersatz wurde in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts das Haupthaus aufgestockt.
Ende der 1920er Jahre, Anna von Ehrenwall war bereits 1928 verstorben, übergab Carl von Ehrenwall die ärztliche Leitung seiner Klinik seinem Schwiegersohn Dr. Emil Marx, dem Ehemann seiner Tochter Sophie von Ehrenwall.
Dr. Carl von Ehrenwall selbst verstarb am 16. Juni 1935, so dass er den Vernichtungskrieg des Nationalsozialismus gegen psychisch kranke und behinderte Menschen nicht mehr erleben musste.
Die Etablierung der Klinik – ein wirtschaftlicher und kultureller Segen für das Ahrtal
Mit der Gründung seiner Privatkuranstalt in unmittelbarer Nähe des mittelalterlich geprägten Städtchens Ahrweiler schuf Carl von Ehrenwall eine moderne gemeindenahe psychiatrische Versorgung der Bevölkerung und einen hinsichtlich Landschaft und Geschichte attraktiven Standort für seine aus dem nahen und fernen Ausland stammenden Patienten.
Das moderne und innovative Konzept der Klinik machte sie national und international bekannt. Sie wurde auf mehreren europäischen Ausstellungen ausgezeichnet.
Als eine beispielhafte Unternehmerpersönlichkeit des 19. Jahrhunderts führte von Ehrenwall nicht nur technische Innovationen im Ahrtal ein, von dem auch das 1858 gegründete Heilbad Neuenahr profitierte, sondern förderte auch die Bildung und Kultur der kleinen Hauptstadt des Ahrtals.
Inspiriert durch sein Faible für die italienischen und französischen Meister der Renaissance und des Barocks entstanden auf dem Klinikgeländedurch diese Kunst beeinflusste Parkanlagen und Gärten.
Darüber hinaus engagierte sich Dr. Carl von Ehrenwall trotz der intensiven beruflichen und unternehmerischen Auslastung in der Kommunalpolitik der damals selbstständigen Stadt Ahrweiler als erster Beigeordneter und Vertreter des Bürgermeisters, er unterstützte finanziell und ideell den Bau der Ahrweiler Synagoge in den 1890er Jahr und auch die Einrichtung des Ahrgau-Museums 1906/07 mit einer ersten stadteigenen heimatkundlichen Sammlung. Selbstverständlich war Carl von Ehrenwall auch Mitglied der ehrwürdigen Sebastianus-Bürgerschützengesellschaft Ahrweiler und war von 1892 bis 1895 König der Bürgerschützen.
Für seine Verdienste und anlässlich des 50jährigen Bestehens seiner Klinik wurde Geheimrat Dr. Carl Philipp Alexander Anton von Ehrenwall am 8. November 1927 mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt Ahrweiler ausgezeichnet.
Zu seinem 75. Geburtstag am 9. September 1930 erhält die Straße entlang der Ahr zwischen Ahrtor und Walporzheimer Straße die Bezeichnung „Carl-von-Ehrenwall-Allee“.
Literaturhinweise
Emil Marx: Entwicklung der Dr. von Ehrenwall’schen Kuranstalt für Nerven- und Gemütskranke zu ahrweler in der nunmehr 50 Jahren ihres Bestehens (1877-1927). In: Heimatkalender für den Kreis Ahrweiler 1928, S. 125-131
Jakob Rausch: Die von-Ehrenwall’sche Kuranstalt. In: Heimatjahrbuch der Stadt Ahrweiler (Hrsg.: Heimatverein Alt-Ahrweiler), Ahrweiler 1963/64, S. 468-473.
Johannes Roth: Carl von Ehrenwall im öffentlichen Leben der Stadt Ahrweiler. Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler, Bd. 38, 1981, S. 114f.
Christoph Smolenski: Redemanuskript anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „125 Jahre Dr. von Ehrenwall’sche Klinik. 125 Jahre Psychiatrie im Ahrtal“, 21.07.2002
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