„Aus den beiden Tageszeitungen entnehme ich, wie du vor Jahrzehnten in einer äußerst gefährlichen Zeit eine herzhafte Tat durchgeführt hast, die in meinen Augen umso mehr wiegt, als Du mir gegenüber nie ein Wort hast verlauten lassen (…).“
- Aus einem Brief von Heinrich Eckendorf an Heinen 1969.
"Ein Gerechter unter den Völkern"
Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus den Mut besessen haben, menschlich zu bleiben und menschlich zu handeln, sind selten.
Zum einen, weil Menschen mit Courage noch nie zur Mehrheit der Bevölkerung gehört haben, zum anderen, weil es sich oft um bescheidene Menschen handelt, die ihre Leistung auch im Nachhinein nicht für besonders erwähnenswert gehalten haben. Ein solch seltener Zeitgenosse war Josef Franz Heinen, der 1898 in der Niederhutstraße 57 in Ahrweiler als drittes von insgesamt elf Kindern geboren wurde und zeit seines Lebens zutiefst mit seiner Heimatstadt verbunden blieb. Hier war er 1912 Hauptmann der Aloisius-Jugend, 1923 Fähnrich der St. Laurentius-Junggesellen-Schützengesellschaft gewesen. Hier hatte er von 1913 bis 1916 den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt und 1926 seine Frau Elisabeth, geb. Kathol, die ebenfalls in Ahrweiler gebürtig war, geheiratet. 1928 zog er nach Adenau und eröffnete dort in der Hauptstraße 30 ein Möbelgeschäft. Nachdem dieses 1944 durch Bomben zerstört worden war, kehrte er nach dem Ende des Krieges wieder nach Ahrweiler zurück. Viele Jahre wohnte er in der Walporzheimer Straße 86 und später in der Büllesheimer Straße 9, sein Grab befindet sich auf dem Ahrweiler Bergfriedhof.
Als Josef Heinen am 20. Juli 1969 von der Internationalen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem wegen seines mitmenschlichen Verhaltens während des Nationalsozialismus geehrt wurde, war selbst die eigene Familie überrascht gewesen.
Am 16. Oktober 1969 wurde ihm vom israelischen Botschafter der „Orden der Gerechten“ überreicht; darüber hinaus wurden für Josef Heinen ein Baum in der „Allee der Gerechten unter den Völkern“ und 1971 zwei weitere Bäume im „Walde der Märtyrer“ gepflanzt. Am 24. November 1970 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz am Bande durch Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann verliehen.
Weitere Informationen zur Gedenkstätte Yad Vashem finden Sie hier.
Was aber hatte Josef Heinen getan?
Mit der Eröffnung seines Möbelgeschäfts in Adenau 1928 hatte sich Heinen mit seinem Geschäftspartner Gerd Sonnenfeld angefreundet, der in Köln-Lindenthal eine Lampenschirmfabrik besaß und der jüdischen Gemeinde angehörte. Als Heinen 1941 davon erfuhr, dass Gerd Sonnenfeld und seine Eltern deportiert werden sollten, half er seinem Freund dessen betagte Eltern während eines Bombenangriffs aus dem sog. Judenhaus herauszuholen. Anschließend versteckte er die Familie bis zum Ende des Krieges in seinem Wochenendhaus in Liers bei Hönningen.
Aus seinen Erinnerungen berichtete Gerd Sonnenfeld, dass Heinen sie trotz der Gefahr für sein eigenes Leben immer wieder besucht und sie mit Lebensmitteln versorgt habe. Mit seiner Hilfe und dem Schweigen der Bevölkerung des kleinen Dorfes Liers hatten Gerd Sonnenfeld und sein Vater Theodor den Holocaust in Deutschland überlebt. Die bereits schwer erkrankte Mutter Johanna war am 21. Dezember 1945 in Liers verstorben.
Als Josef Heinen selbst am 23. Dezember 1989 im Alter von 91 Jahren verstarb, war der Wunsch von Vater Theodor Sonnenfeld in Erfüllung gegangen, dass ihm seine „aufrichtige und eindeutige Gesinnung“ zum Segen gereiche. Er wurde nicht nur später für seinen Mut von höchster Stelle geehrt, sondern er hatte es auch geschafft, sich nach der Zerstörung seines Geschäftes in Adenau in Ahrweiler wieder eine neue Existenz aufzubauen.
Rückblickend ist bemerkenswert, dass Josef Heinen tatsächlich aus einer zutiefst christlichen Gesinnung heraus menschlich gehandelt hat.
Diese Lebenshaltung zeigte sich schon 1935, als er als NSDAP-Mitglied sich noch von den nationalsozialistischen Parolen hatte vereinnahmen lassen, was eventuell auch mit der Begeisterung der NSDAP-Spitze für den Nürburgring in Verbindung stehen könnte. Immerhin hatte gerade Adenau zur damaligen Zeit enorm von der Aufwertung des regionalen Tourismus in der Eifel profitiert. In der strukturschwachen Eifel herrschte Aufbruchsstimmung. Zum Eifelrennen 1933 waren rund 100.000 Besucherinnen und Besucher am Nürburgring zusammengekommen, darunter am Renntag selbst 3.000 Funktionäre von ADAC, Nürburgringverwaltung, Polizei, SA, SS und Stahlhelm.
Als Heinen 1935 aber unter Druck gesetzt wurde, nachdem er sich geweigert hatte Plakate der Hitlerjugend und Plakate gegen den „politisierenden Katholismus“ an seinem Geschäft in Adenau aufzuhängen, änderte sich seine Einstellung. Er hing keine Plakate auf und wurde daraufhin mit Schreiben der Kreisleitung Ahrweiler vom 20. September 1935 aus der Partei mit dem Hinweis, dass er kein Nationalsozialist sei, ausgeschlossen. Gleichwohl blieb es ihm nicht erspart, als Soldat eingezogen und nach einer Verwundung als Wachmann im Lager Rebstock eingesetzt zu werden.
Literaturhinweise
Jürgen Haffke: Der Nürburgring: Tourismus für Millionen, Bouvier-Verlag 2010.
Karl Heinen: Josef Heinen (1898-1989) Gerechter unter den Völkern. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2021, S. 164-167.